Andreas Hofer

Anno 1767 wurde unser deutscher Freiheitskämpfer Andreas Hofer in Passeier zu Tirol geboren. Er führte den großen Tiroler Volksaufstand gegen Napoleon und die Bayern Anno 1809 an. Brachte dieser Volksaufstand auch keinen durchschlagenden Erfolg gegen Napoleon, so machte er diesem doch ganz erheblich zu schaffen. Kein Wunder also, daß Männer wie unser Freiherr Karl vom Stein ihr Augenmerk auf das neuartige Kampfmittel des Volkskrieges zu richten begannen. Dessen Voraussetzungen und Eigentümlichkeiten unser Carl von Clausewitz in seinem Buch „Vom Kriege“ uns ein wenig kriegsphilosophisch abgehandelt hat und dieses Kapitel wollen wir nun zur Feier des Geburtstages von unserem Andreas Hofer lesen:

„Der Volkskrieg ist im kultivierten Europa eine Erscheinung des neunzehnten Jahrhunderts. Er hat seine Anhänger und seine Widersacher, die letzteren entweder aus politischen Gründen, weil sie ihn für ein revolutionäres Mittel, einen für gesetzlich erklärten Zustand der Anarchie halten, der der gesellschaftlichen Ordnung nach innen ebenso gefährlich sei wie dem Feinde nach außen, oder aus militärischen Gründen, weil sie glauben, der Erfolg entspräche nicht der aufgewendeten Kraft. Der erste Punkt berührt uns hier gar nicht, denn wir betrachten den Volkskrieg bloß als Kampfmittel, also in seiner Beziehung auf den Feind; der letzte Punkt aber führt uns zu der Bemerkung, daß der Volkskrieg im allgemeinen als eine Folge des Durchbruches anzusehen ist, den das kriegerische Element in unserer Zeit durch seine alte künstliche Umwallung gemacht hat; als eine Erweiterung und Verstärkung des ganzen Gärungsprozesses, den wir Krieg nennen. Das Requisitionssystem, die Anschwellung der Heere zu ungeheuren Massen vermittelst desselben und der allgemeinen Dienstpflicht, der Gebrauch der Landwehren sind alles Dinge, die, wenn man vom ehemaligen engbegrenzten Militärsystem ausgeht, in derselben Richtung liegen, und in dieser Richtung liegt nun auch der Aufruf des Landsturmes oder die Volksbewaffnung. Sind die ersten dieser neuen Hilfsmittel eine natürliche und notwendige Folge weggeworfener Schranken, und haben sie die Kraft dessen, der sich ihrer zuerst bedient hat, so gewaltig gesteigert, daß der andere mit fortgerissen worden ist und sie auch hat ergreifen müssen, so wird beides auch der Fall mit dem Volkskriege sein. In der Allgemeinheit der Fälle würde dasjenige Volk, welches sich desselben mit Verstand bediente, ein verhältnismäßiges Übergewicht über diejenigen bekommen, die ihn verschmähen. Ist dem also, so kann nur die Frage sein, ob diese neue Verstärkung des kriegerischen Elementes der Menschheit überhaupt heilsam ist oder nicht; eine Frage, die sich wohl ganz so beantworten dürfte wie die Frage über den Krieg selbst – wir überlassen beide den Philosophen. Aber man könnte auch meinen, die Kräfte, welche der Volkskrieg kostet, könnten auf andere Streitmittel verwendet mit mehr Erfolg benutzt werden; es gehört indessen keine große Untersuchung dazu, um sich zu überzeugen, daß diese Kräfte größtenteils nicht disponibel sind und sich nicht nach Willkür verwenden lassen. Ein wesentlicher Teil derselben, nämlich die moralischen Elemente, erhalten sogar erst durch diese Art des Gebrauches ihr Dasein. Wir fragen also nicht mehr: was kostet der Widerstand, den ein ganzes Volk mit den Waffen in der Hand leistet, diesem Volke? Sondern wir fragen: welchen Einfluß kann dieser Widerstand haben, welches sind seine Bedingungen und wie ist der Gebrauch desselben? Daß ein so verteilter Widerstand nicht zu der in Zeit und Raum konzentrierten Wirkung großer Schläge geeignet ist, geht aus der Natur der Sache hervor. Seine Wirkung richtet sich, wie in der physischen Natur der Verdampfungsprozeß, nach der Oberfläche. Je größer diese ist und der Kontakt, in welchem sie mit dem feindlichen Heere sich befindet, also je mehr dieses sich ausbreitet, um so größer ist die Wirkung der Volksbewaffnung. Sie zerstört wie eine still fortschwelende Glut die Grundfesten des feindlichen Heeres. Da sie zu ihren Erfolgen Zeit braucht, so entsteht, während beide Elemente so aufeinander wirken, ein Zustand der Spannung, die sich entweder nach und nach löst, wenn der Volkskrieg an einzelnen Stellen erstickt wird und an anderen langsam erlischt, oder die zu einer Krise führt, wenn die Flammen dieses allgemeinen Brandes über das feindliche Heer zusammenschlagen und es nötigen, das Land vor eigenem gänzlichen Untergange zu räumen. Daß diese Krisis durch den bloßen Volkskrieg herbeigeführt werden sollte, setzt entweder eine solche Oberfläche des eingenommenen Reiches voraus, wie außer Rußland kein europäischer Staat sie hat, oder ein Mißverhältnis zwischen der einfallenden Armee und der Oberfläche des Landes, wie es in der Wirklichkeit nicht vorkommt. Will man also kein Phantom verfolgen, so muß man sich den Volkskrieg in Verbindung mit dem Kriege eines stehenden Heeres denken und beide durch einen das Ganze umfassenden Plan geeinigt. Die Bedingungen, unter welchen allein der Volkskrieg wirksam werden kann, sind folgende: I. daß der Krieg im Innern des Landes geführt, II. daß er nicht durch eine einzige Katastrophe entschieden werde; III. daß das Kriegstheater eine beträchtliche Länderstrecke einnehme; IV. daß der Volkscharakter die Maßregel unterstütze; V. daß das Land sehr durchschnitten und unzugänglich sei, entweder durch Gebirge oder durch Wälder und Sümpfe oder durch die Natur der Bodenkultur. Ob die Bevölkerung groß oder klein ist, tut nichts Entscheidendes, denn an Menschen fehlt es dabei am wenigsten. Ob die Einwohner arm oder reich sind, ist auch nicht geradezu entscheidend oder sollte es wenigstens nicht sein, es ist aber nicht zu verkennen, daß eine arme, an anstrengende Arbeit und Entbehrungen gewöhnte Menschenklasse sich auch kriegerischer und kräftiger zu zeigen pflegt. Eine Landeseigentümlichkeit, welche die Wirkung des Volkskrieges ungemein begünstigt, ist der zerstreute Anbau der Wohnungen, wie er sich in vielen Provinzen Deutschlands findet. Das Land wird dadurch zerschnittener und verdeckter, die Wege werden schlechter, obgleich zahlreicher, die Unterbringung der Truppen hat unendliche Schwierigkeiten, und vor allem es wiederholt sich im kleinen die Eigentümlichkeit, welche der Volkskrieg im großen hat, nämlich daß das widerstehende Prinzip überall und nirgends vorhanden ist. Wohnen die Einwohner in Dörfern beisammen, so werden die unruhigsten mit Truppen belegt oder auch wohl zur Strafe ausgeplündert, abgebrannt und so weiter, welches sich aber bei einer westfälischen Bauernschaft nicht wohl ausführen läßt.“

Von den Vorbereitungen zur Tiroler Schilderhebung lesen wir nun noch bei unserem Geschichtsschreiber Beda Weber in „Andreas Hofer und das Jahr 1809“: https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10011738_00001.html

„Aber die politisch unbehagliche Stimmung blieb. Die nach Österreich gewanderten Patrioten unterhielten fort währenden Briefwechsel mit ihren Freunden in der Heimat, und mehrten den Glauben des Volkes auf einen baldigen Umschwung der Dinge. Die ungeheure Anstrengung, welche Österreich im Stillen machte, um sich zum Kriege gegen Frankreich vorzubereiten, konnte scharfsehenden Augen schon in den ersten Bewegungen nicht entgehen, und wurden von den Tirolern mit stillem Beifall begrüßt. Die Gastwirte, als größere Gutsbesitzer mit neuen Auflagen mehr beschwert, als sie nach ihrem Urteile zu leisten im Stande waren, öffneten ihre Abendgesellschaften für alle Mißvergnügten und politischen Kannegießer. Das vereinzelte Grollen sprach sich aus, und gestaltete sich im Wechselverkehr zum Entschluß, die Zukunft nach Kräften selbst zu machen. Selbst Pulver ward für jeden Notfall in schweigenden Kellern eingelagert. Bei so bewandten Umständen langte am 22. Dezember 1808 ein Schreiben aus Wien an vom Büchsenspanner des Kaisers, Anton Steger, einem Tiroler, an Franz Anton Nessing, Inhaber eines Kaffeehauses in Bozen, in welchem der Ausbruch des Krieges als gewiß gemeldet wurde. Es lag in der Natur der Sache, daß Österreich in seinen Anstrengungen gegen die Franzosen zunächst auf alte Zuneigung in Tirol rechnete, das es als Basis seines Fortschrittes gegen die Feinde in Deutschland und Italien nötig hatte. Die Anknüpfungspunkte zwischen Österreich und Tirol waren bald gegeben. Im Jänner 1809 reisten Andreas Hofer, Peter Gruber, Gastwirt zu Bruneck, und Nessing mit der Post nach Wien, nachdem sie zu diesem Zwecke das notwendige Reisegeld erhalten hatten. Sie fanden an Anton Steger einen tätigen Genossen, der sie gleich mit den wünschenswertesten Personen bekannt machte. Bereits war Erzherzog Johann zum Oberbefehlshaber der Armee nach Italien und Tirol, und der Freiherr von Hormayr unter seiner Leitung zum Mittler zwischen der kaiserlichen Armee und dem tirolischen Volke bestimmt. Der letztere besprach sich mit den tirolischen Abgesandten über alles, was geeignet schien, die Rückkehr des Landes Tirol an Österreich auf dem kürzesten Wege zu bewerkstelligen. Mit dem diesfälligen Plänen vertraut, kehrten die drei genannten Reisenden auf verschiedenen Wegen zur Beseitigung jeglichen Verdachtes nach Tirol zurück. Andrä Hofer reiste über Salzburg durch Losers ins untere Inntal. Hier wurde er mit Jakob Siberer, Wirth zu Langkampfen, Rupert Wintersteller zu Kirchdorf, unweit Sankt Johann, Anton Oppacher, Wirth zu Jochberg, und andern hervorragenden Männern näher bekannt, und erneuerte seine frühern Verhältnisse mit vielen Gastwirten am Inn, denen er Einfluß auf die Volksmeinung zutraute. Anton Aspacher von Achental, und Joseph Ignaz Straub, Gastwirt zur goldenen Krone zu Hall, schlossen sich ihm ebenfalls bereitwillig an. Alle wurden mit den Anschlägen für die nächste Zukunft genau bekannt gemacht. Straub entwickelte eine überaus kluge und rastlose Tätigkeit, das Gespinnst weiter auszuzetteln. Martin Firler, Aufleger in Hall, und Andrä Angerer, Wiesenwirt zu Volders, wurden gewonnen. Auf dem Schönberge zog Hofer den Elias Domanig und den Johann Etschmann, Wirth in der Schupfen, in sein Geheimnis, und übertrug ihnen die Aufgabe, das obere Inntal und das Lechtal für die nahe Entscheidung zu bearbeiten, die sie mit vielem Glücke lösten. So kam Hofer nach Hause, ohne daß auf ihn der mindeste Verdacht fiel. Von Passeier breitete er seine Nachrichten aus Wien ins Burggrafenamt, ins Nons- und Sulztal und nach Vintschgau aus. Peter Gruber zog von Wien über Kärnten ins Pustertal zurück, und leitete dort den Umschwung der Verhältnisse ein. Nur Nessing, der von Italien nach Bozen kam, wurde verdächtig. Er floh und weilte über sieben Wochen auf einsamer Felskuppe, wo ihm flinke Jägerbursche Speise zutrugen. Alles Bemühen der Stadtbehörde, seiner habhaft zu werden, blieb erfolglos. Das Netz des Einverständnisses spannte sich in tausend Fäden über das ganze Land, und unter den Vielen, die darum wußten, war keine einzige Seele dem Verrate zugänglich oder törichter Mißgriffe fähig. Die Regierung des Landes hatte nicht die mindeste Ahnung von der Möglichkeit dessen, was unter ihren Augen vorging. Eine blinde Zuversicht auf die Gewalt der Waffen betörte selbst die Vorsichtigsten. österreichische Emissäre, besonders die gebornen Tiroler Ottavio Bianchi und Martin Teimer vermittelten jede tirolische Bewegung an die Österreicher, so daß die genaueste Kenntnis wechselseitiger Zustände beiden Teilen zu Statten kam…“

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